Bio-intensiv: Gemüsebau nach den Prinzipien der Marktgärtnerei

Marktgärtnerei ist Handarbeit. Von der Pflanzung oder Direktsaat über das Beikrautmanagement bis hin zur Ernte werden fast alle Arbeiten händisch verrichtet. Dazu gibt es einfache ergonomische Kleingeräte, die die menschliche Hand unterstützen - wie hier im Bild die Radhacke zur mechanischen Unkrautregulierung. (Foto: Johannes Pelleter)

 

Marktgärtnereien sind Vielfaltsbetriebe

Gemüse ist die breiteste und vielfältigste Lebensmittelgruppe, die wir nutzen. Wir unterteilen es je nach Verwendung der Pflanzenorgane in Blatt-, Wurzel-, Knollen-, Stiel-, Blüten- und Fruchtgemüse. Botanisch gesehen stehen mehr als 10 Pflanzenfamilien im Mittelpunkt. Hinsichtlich Farbe, Form, Geschmack und Verwendungsmöglichkeiten ergibt sich ein unglaublich buntes, vielfältiges, erfreuliches Erscheinungsbild. Im herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel scheint da sehr viel verloren gegangen zu sein. Insgesamt maximal 10 bis 15 verschiedene Gemüsearten füllen die Regale des Supermarkts. Was nicht den Anforderungen der Transportierbarkeit oder Haltbarkeit entsprach, wurde ausgelistet. Diese Verarmung bedeutet aber auch eine Verarmung der menschlichen Ernährung mit allen negativen Auswirkungen wie beispielsweise auf das Mikrobiom im Darm.

Marktgärtnereien schöpfen noch aus dem Vollen. Die Erfassung der angebauten Gemüsearten im Projekt ergab, dass in den sechs Praxisbetrieben der OG Marktgärtnerei in Summe mehr als 120 verschiedene Gemüse- und Kräuterarten mit unzähligen Sorten zum Einsatz kommen. In der Direktvermarktung gelten eben andere Qualitätskriterien zur Sortimentsgestaltung und –auswahl als im Supermarkt. Nicht zufällig kann man Marktgärtnereien am treffendsten durch Portraitfotos von oben charakterisieren. Die bunte Anordnung der Beete und Parzellen bringt am deutlichsten zum Ausdruck, worum es beim Marktgärtnern eigentlich geht: um einen radikalen Vielfalts-Gegenentwurf zu einer immer stärker industrialisierten, mechanisierten, spezialisierten Landwirtschaft mit all ihren problematischen Folgen für Boden, Biodiversität und Ressourcenverbrauch. Der kleinste der OG Praxisbetriebe lebt im Vollerwerb von 1.400 m² Nettobeetfläche (siehe nachstehendes Foto)! Kleinstrukturierte Landwirtschaft kann auch heute noch wirtschaftlich erfolgreich sein.

 

Die kleinste Marktgärtnerei unter den OG Praxisbetrieben mit weniger als 2000 m2 Netto-Beetfläche: Die Klauserei in Trumau. (Foto: Johannes Pelleter)

 

Bio-intensiv heißt nicht ausbeuterisch

Marktgärtnereien arbeiten nach der sogenannten bio-intensiven Methode. Konsequent verkleinerte Flächen werden saisonal belegt, dicht bepflanzt und mehrmals im Jahr beerntet. Das macht das System nicht nur produktiv und wirtschaftlich rentabel – so seltsam es klingen mag: es schont auch den Boden und erhöht seine Lebendigkeit. Denn ständig mit Gemüsepflanzen bewachsene Flächen und durchwurzelte Böden wirken humusaufbauend und fruchtbarkeitsfördernd. Die Natur kennt keine Brache. So verliert ganz im biologischen Sinn der Begriff der Ertragsmaximierung seinen ausbeuterischen Beigeschmack.

Die Natur gibt den Rhythmus vor

Neben Vielfalt ist Saisonalität ein Schlüsselprinzip für jeden Marktgärtnerbetrieb. Jahreszeitlich wechselnde Sortimente an vielfältigen Gemüsearten und -sorten werden direkt vom Beet oder aus einfachen geschützten Kulturräumen ohne künstliche Beheizung geerntet. Der Einsatz von Heizungsenergie bleibt auf eine mögliche Jungpflanzenanzucht beschränkt. Wer keine der vier Jahreszeiten auslässt, kann Jahreslücken im Angebot schließen, Lieferkontinuität bewahren und damit die Kundenbindung stärken. Selbst der Winter zeigt sich keineswegs so unproduktiv, wie man denkt. Zahlreiche Gemüsearten und -sorten sind frostfester, als man es für möglich gehalten hat und lassen eine Ernte auch von November bis Februar zu.

Satzstaffelungen von Gemüsekulturen mit kürzerer Produktionszeit werden so geplant, dass es rund ums Jahr genug zu ernten gibt. Entgegen der Praxis im Supermarkt geht es nicht darum, das Immer-Gleiche möglichst ganzjährig durchzuziehen. Jede Gemüseart am richtigen Platz im Jahresrhythmus positioniert, reduziert den Produktionsaufwand und erhöht den Anbauerfolg, weil man so den biologischen Gesetzmäßigkeiten folgt, statt sich dagegenzustellen.

Generell wird in der Marktgärtnerei darauf geachtet, rasch zu kultivieren, frühzeitig mit der Ernte zu beginnen und zügig abzuschließen. Das beschleunigt nicht nur die Kulturfolge, es verbessert auch die Pflanzenhygiene im Bestand, weil sich Krankheiten und Schädlinge nicht so festsetzen und verbreiten können.

 

Plastik ist im modernen Gemüsebau leider allgegenwärtig. Folientunnel, Folienhäuser, Silofolien, Vliese, Netze usw. - auch in der Marktgärtnerei kommt man nicht ganz ohne plastikbasierte technische Hilfsmittel aus. (Foto: Johannes Pelleter)

 

Technische Hilfsmittel in der Marktgärtnerei

Marktgärtnerinnen und Marktgärtner verstehen ihr Handwerk. Sie stehen in der langen Tradition ihrer Fachvorfahren, die Gemüsepflanzen geschickt zu kombinieren, zu staffeln oder zu verfrühen verstanden. Heute bieten sich ihnen dafür ja noch ganz andere Möglichkeiten und Materialien als im vorigen Jahrhundert.

Während jahrzehntelang Frühbeetkästen im Erwerbsgemüsebau sehr effizient, aber extrem arbeitsintensiv zum Einsatz kamen, ist es inzwischen selbstverständlich, Folientunnel für den geschützten Anbau von Gemüsekulturen zu nutzen. Einfache, kalte, aber moderne Folientunnel (siehe Folienhaus hinten im Bild) - möglichst mit durchgehender Seitenlüftung, Lüftungssteuerung und eingebautem Bewässerungssystem sind zweifelsohne eine überzeugende Hilfe für eine ertragreiche Gemüseproduktion.

Es geht aber auch einfacher: Flachfolien- und Vliesbedeckung, der Einsatz von mobilen Minitunneln aus Federstahlstäben oder der unkomplizierte Aufbau von Wandertunneln bzw. Caterpillar-Tunneln (siehe niedrigere Folientunnel rechts im Bild) sind wesentlich investitionsextensiver und trotzdem zielführend. Während der Durchschnittsertrag pro Gesamtbeetfläche bei den OG Praxisbetrieben im Freien bei 3 bis 5 kg/m² lag, konnte im geschützten Bereich mit 9 bis 16 kg/m² dreimal so viel geerntet werden.

Marktgärtner:innen setzen Folien nicht nur zur Verfrühung, sondern auch zur Bodenvorbereitung ein. Unter „Tarping“ versteht man das Abdecken von Beetfläche mit lichtundurchlässigen Planen zwischen zwei Gemüsesätzen, um Beikräuter zum Keimen zu stimulieren („falsches Saatbett“) und durch Überhitzung und Lichtentzug abzutöten (siehe schwarze Silofolie rechts im Bild). Eine typische Erscheinung der modernen Marktgärtnerei, die - bei allen Nachteilen der Plastiknutzung - in der Praxis.

 

Biologische Überzeugung

Altes Gärtnerwissen steckt bei manchen Betrieben in der fachgerechten Kombination passender Mischkulturpartnerschaften und in der verzahnten Teilneubepflanzung von Beeten, wo einzelne Kulturen abgeräumt und durch neue ersetzt werden, während solche mit längerer Kulturzeit daneben stehen bleiben - neudeutsch „Intercropping“. Die gärtnerische Praxis zeigt allerdings, dass zu enge Mischkulturpartnerschaften am Beet arbeitswirtschaftliche Nachteile bei Pflege- und Erntearbeiten mit sich bringen. Hier gilt es, Nutzen und Aufwand gegeneinander abzuwägen. Und als Mischkultur kann man ja auch das beetweise Nebeneinander geeigneter Gemüsepartner verstehen.

Auch andere Prinzipien der Permakultur werden auf die Erwerbsproduktion angewandt. Direkt neben den intensiv genutzten Dauerbeeten sorgen oft Blühstreifen, Streuobstbäume, Hecken oder Permaveggies (mehrjährige Gemüsekulturen) für ausgleichende Extensivierung und Nützlingsförderung. Leitmotiv für das Erscheinungsbild ist eben der gestaltete Garten und nicht der rohe Acker.

 

In der Marktgärtnerei wird zwar der Großteil der Gemüsekulturen als Jungpflanzen gesetzt, Wurzelgemüse wird aber natürlich auch in der Marktgärtnerei direkt gesät. Hierfür gibt es hoch entwickelte Handsämaschinen wie hier im Bild den “JANG Seeder”. (Foto: Johannes Pelleter)

 

Pflanzungen & Direktsaaten

Die Umschlaghäufigkeit am Beet kann durch den Einsatz von Jungpflanzen erhöht werden. Statt direkt zu säen und damit das Beet durch langsame Keimung und Jugendentwicklung länger zu belegen, spart das Aussetzen von Jungpflanzen Zeit und Pflegeaufwand vor Ort. Denn durch die Pflanzung ergibt sich ein Wachstumsvorsprung gegenüber keimenden Beikräutern, der den Regulierungsaufwand reduziert. Jungpflanzen werden entweder am Betrieb selbst angezogen, was allerdings geeignete technische Einrichtungen (Anzuchtgewächshaus) und personellen Aufwand erfordert, oder von spezialisierten Betrieben termingerecht zugekauft.

Wurzelgemüse wie Karotten oder Radieschen werden auch in der Marktgärtnerei direkt gesät. Bei entsprechend geringem Beikrautdruck werden mitunter auch Direktsaaten von Schnittsalaten (Mesclun Mix), Asia-Salaten, Vogerlsalat oder Rucola praktiziert. Für die besonderen Anforderungen der Marktgärtnerei wurden dazu präzise Handsämaschinen und weitere Spezialwerkzeuge entwickelt. Mehr dazu im Blog-Beitrag zu den Werkzeugen in der Marktgärtnerei.

 
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Mischkultur und Bestandesverdichtung in der Marktgärtnerei

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Die wichtigsten Werkzeuge in der Marktgärtnerei: Von Broadfork bis Einachser