Low Till vs. No Dig: Vor- und Nachteile der beiden Konzepte für die Bodenbearbeitung
Der Tilther: Die mit Akku-Schrauber betriebene Mini-Fräse funktioniert wie ein elektrischer Rechen, der lediglich die obersten 2-3 cm des Bodens bewegt. Deshalb kommt das Gerät teilweise auch im No Dig Anbau zur Anwendung, weil damit nur die Kompostschicht und nicht der eigentliche Mutterboden bearbeitet wird. (Foto: Johannes Pelleter)
Bodengesundheit in der Marktgärtnerei
Der Aufbau und Erhalt eines gesunden Bodens hat in der Marktgärtnerei grundsätzlich oberste Priorität. Hinsichtlich der Art der Bodenbearbeitung lassen sich die meisten Marktgärtnereien grob in zwei Ansätze unterteilen: „Low Till“ und „No Dig“. Bei beiden Ansätzen wird üblicherweise mit 75 bzw. 80 cm breiten Dauerbeeten gearbeitet. Manche Betriebe arbeiten aber auch mit kleinen Traktoren und haben deshalb zum Teil auch Beetbreiten von 100 bis 120 cm. Das unterscheidende Kriterium zwischen No Dig und Low Till ist die Intensität der Bodenbearbeitung. Während bereits im Low Till System möglichst bodenschonend gearbeitet wird, versucht man bei No Dig noch einen Schritt weiter zu gehen und eine Bearbeitung des Bodens möglichst ganz zu vermeiden. Die Übergänge zwischen den beiden Bodenbearbeitungskonzepten verlaufen allerdings fließend und viele Betriebe arbeiten mit verschiedenen Kombinationen der beiden Ansätze. Eine klare Trennung ist daher nur in der Theorie möglich.
Low Till
Der Begriff „Low Till“ ist nicht eindeutig definiert, wird aber meist für jene Marktgärtnereien angewandt, die ihre Bodenbearbeitung mithilfe eines Einachsschleppers durchführen. Dabei kommen Kreiselegge und/oder Fräse zum Einsatz. Je nach Bodenbeschaffenheit, Kultur und Zielsetzung des Betriebs greifen diese Geräte unterschiedlich tief in den Boden ein. In der Regel wird hier zwischen 5 und 15 cm tief gearbeitet. Durch das geringe Gewicht des Einachsschleppers erfolgt die Bearbeitung des Bodens zwar ohne starke Verdichtungen, die Eingriffe in Bodenstruktur und Bodengefüge sind aber mitunter trotzdem beträchtlich. Vor allem durch die schnelle Bewegung von Fräse und Kreiselegge kann es im Laufe der Jahre zu einer zunehmenden Zerschlagung der Krümelstruktur kommen, die Erosion fördern kann. Mehrmaliges Bearbeiten derselben Fläche im Laufe eines Jahres kann diese Problematik verstärken und sollte daher möglichst vermieden werden.
Vorteile der Low Till Systeme sind der geringere Zeitbedarf für Beet- und Flächenvorbereitung, die Teilmechanisierung des Beikrautmanagements (mittels Fräse oder Kreiselegge) und eine geringere Gefahr der Versalzung des Bodens im Vergleich zum klassischen No-Dig-Anbau mit intensivem Komposteinsatz.
Nachteile sind die höheren Investitionskosten für die Anschaffung des Einachsers samt Geräten, die tendenziell intensiveren Eingriffe in den Boden und damit eine mitunter gröbere Störung der Bodenstruktur und des Bodenlebens.
Der Einachser: In der Regel die größte motorbetriebene Maschine in der Marktgärtnerei. Der Einachsschlepper (engl. “two-wheel tractor” oder “walk-behind tractor”) kann mit verschiedenen Anbaugeräten betrieben werden. Hier im Bild zur Beetvorbereitung mit einer Kreiselegge, die je nach Einstellung der Nachlaufwalze 5-15 cm tief in den Boden eingreift und in kurzer Zeit ein feinkrümeliges Beet hinterlässt. (Foto: Johannes Pelleter)
No Dig und Zwischenformen
Unter „No Dig“ versteht man eine Methode des Gemüseanbaus, bei der auf ein Umgraben und Bearbeiten des Bodens weitgehend verzichtet wird. Ziel ist es, den Boden möglichst wenig zu stören und seinen natürlichen Aufbau zu erhalten. In der klassischen Ausprägung dieses Konzepts werden stattdessen große Mengen Kompost (10-15 cm) als Mulch oberflächlich auf den Boden aufgebracht. Achtung: Diese Mengen übersteigen in der Regel die Bedarfsobergrenzen laut der Nitrat-Aktionsgrogramm-Verordnung (NAPV). Auch werden die in Österreich im Garten- und Feldgemüsebau erlaubten Mengen von maximal 40 Tonnen Trockenmasse (TM) pro Hektar innerhalb von fünf Jahren deutlich überschritten (gemäß Richtlinie für die Anwendung von Kompost aus biogenen Abfällen in der Landwirtschaft, BMLFUW 2010 und den hier angeführten rechtlichen Rahmenbedingungen).
Die Bodenbewegung beschränkt sich im No Nig Anbau auf die obersten 2-3 cm (z.B. Beetvorbereitung mit Rechen oder Akku-Fräse), Einachsschlepper kommen dafür meist nicht zum Einsatz. Die reduzierte Bodenbewegung verhindert, dass die im Boden vorhandenen Unkrautsamen an die Oberfläche befördert und zum Keimen angeregt werden. In Kombination mit der (unbedingt samenfreien) Kompostauflage kann damit der Druck durch Samenunkräuter (!) erheblich reduziert werden. Sind jedoch große Mengen an Wurzelunkräutern (Quecke, Ackerwinde, Giersch etc.) vorhanden, muss die Fläche im Vorfeld für mind. 12 Monate durchgehend mit Planen abgedeckt werden (Tarping). Erst dann sind auch Wurzelunkräuter abgestorben - die Voraussetzung für erfolgreichen No Dig Anbau. Mittlerweile gibt es die verschiedensten Abwandlungen des No Dig Konzepts. So kommen beispielsweise auch andere Mulchmaterialien zum Einsatz oder die Kompostmengen werden reduziert. Der weitgehende Verzicht auf intensive mechanische Bearbeitung des Bodens ist jedoch allen Varianten gemein, wobei auch hier bei Bedarf ein nicht-wendendes Lockern des Bodens mittels Broadfork von einigen Betrieben praktiziert wird.
Je nach Menge und Zusammensetzung des Komposts kann es ggf. zu einer übermäßig hohen Nährstoffzufuhr und zum Eintrag von Mikroplastik kommen. Aufgrund der Ausgangsmaterialien gelten hier Grünschnitt-Komposte als weniger problematisch als Bioabfall-Kompost. Empfehlenswert ist jedenfalls der Einsatz von Kompost bester Qualität (A+).
Vorteile sind der geringere Aufwand im Beikrautmanagement (vorausgesetzt, die Fläche ist frei von Wurzelunkräutern), die geringeren Investitionskosten für Maschinen und tendenziell mehr Bodenruhe.
Nachteile sind die Kosten und der Ausbringungsaufwand für Kompost und - im Fall von entsprechend großen Kompostmengen - die Unvereinbarkeit mit gesetzlichen Vorgaben und ggf. das Risiko der Nährstoffauswaschung ins Grundwasser sowie einer Versalzung der Böden.
No Dig in der Forschung
Teil der Operationelle Gruppe Marktgärtnerei waren auch die Versuchsanlage Zinsenhof (Außenstelle der HBLFA Schönbrunn) und die Versuchsstation für Spezialkulturen Wies in der Steiermark. In Wies wurde drei Jahre lang u.a. ein erster Vergleich von Dauerbeeten mit 15 cm dicker Kompostauflage zu Beeten mit einer 0,5 cm dicken Kompostschicht durchgeführt. Die dazwischenliegenden Wege wurden mit Hackschnitzel gemulcht. Die 15 cm Kompost entsprachen 0,14 m³ pro Quadratmeter. Mit einem Gewicht von 800 kg pro m3 beim eingesetzten Kompost waren das 112 kg/m². Damit wurde die im Garten- und Feldgemüsebau erlaubte Ausbringungsmenge deutlich überschritten, was nur im Forschungskontext zulässig ist. Um die gesetzlichen Vorgaben zur Kompostausbringung von maximal 40 t TM/ha innerhalb von fünf Jahren einzuhalten, hätten bei diesem Kompost maximal 0,75 cm/m2 bzw. 5,6 kg/m2 in fünf Jahren angewendet werden dürfen.
Die kleine Versuchs-Marktgärtnerei in der Versuchsstation für Spezialkulturen Wies. Hier wurde der No Dig Anbau von wissenschaftlicher Seite untersucht. Die Versuche werden auch nach Projektende der Operationellen Gruppe Marktgärtnerei fortgesetzt. (Foto: Johannes Pelleter)
Die ersten Erkenntnisse
Durch die dicke Kompostschicht blieb der Bearbeitungshorizont locker und es war kein Maschineneinsatz für eine Bodenbearbeitung nötig. Auch die Beikrautregulierung reduzierte sich auf ein Minimum. Die dicken Kompostauflagen erwärmten sich im Frühjahr rascher, trockneten im Sommer jedoch auch schneller aus. Das zeigte sich in einem höheren Bewässerungsaufwand und einem schlechteren Aufgang von Direktsaaten. Dem könnte durch ein kurzzeitiges Abdecken mit Vlies oder Folie nach der Saat entgegengewirkt werden, um die Feuchtigkeit länger im Boden zu halten. Die Versuche zeigten dennoch ein höheres Ertragspotential im No-Dig-System als auf der Vergleichsfläche.
Die langfristigen Auswirkungen derart großer Kompostmengen auf das Nährstoffgleichgewicht, potenzielle Versalzungen im Boden und Nährstoffauswaschungen ins Grundwasser sind bis dato allerdings noch kaum abschätzbar. Alle derzeit geltenden Verordnungen und Gesetze beziehen sich primär auf Betriebe mit klassischer Bodenbearbeitung, während Systeme mit Dauerbeeten oder dem gänzlichen Verzicht auf Bodenbearbeitung bislang keine Berücksichtigung gefunden haben. Hier bedarf es daher weiterer Forschungsarbeit für den besonderen Kontext der Marktgärtnerei.